Fragen an Angelika Sandtmann
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zum STUDIENTAG „Hannah Arendt - Denken ohne Geländer“ am Samstag, 30. Oktober, von 10:00 bis 17:30 Uhr
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Die Denkerin Hannah Arendt bewegt dich bereits seit geraumer Zeit. Auch medial bekommt sie, so scheint es mir jedenfalls aktuell, gesteigerte Aufmerksamkeit. Was macht Hannah Arendt so besonders – für dich persönlich und auch für die heutige Gesellschaft?
Ja, Hannah Arendt kommt seit einigen Jahren verstärkte Aufmerksamkeit zu. Unterstützt wurde das sicherlich durch Margarethe von Trottas Film „Hannah Arendt. Ihr Denken veränderte die Welt“ und die Ausstellung „Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert“ in Berlin und Bonn. – Das Besondere an ihr: Sie spricht immer nur im eigenen Namen, folgt keiner bestimmten Schule oder Tradition und versteckt sich nicht hinter Kollektiven. Sie scheut sich nicht, das, was sie sich denkend erarbeitet hat, in die Öffentlichkeit zu bringen, auch wenn es unbequem wird. Mich fasziniert ihr Vertrauen in die Kraft des Denkens und ihr ausgeprägter Wille, die Welt zu verstehen, der bei ihr schon in sehr jungen Jahren erwacht war. Neulich hörte ich in einem Symposion die zutreffende Bemerkung: „Ihr Denken ist unideologisch und das macht sie aktuell interessant“.
Der STUDIENTAG thematisiert Arendts unkonventionelle Art des Denkens. Kannst du konkrete Beispiele nennen, wo sie sich Denktabus nicht gebeugt hat?
Am frappantesten ist in diesem Zusammenhang ihr Bericht über den Eichmann-Prozess in Jerusalem im Jahre 1961. Bis heute ebben die Diskussionen darüber nicht ab. Dort sprach sie von der „Banalität des Bösen“ und stellte damit die literarische, theologische und philosophische Denktradition über das Böse grundlegend in Frage: Ist das Böse gar nichts Dämonisches? Ist der Wille zum Bösen keine notwendige Bedingung des bösen Handelns? Ist das Böse nicht radikal, sondern banal? An Eichmann nahm sie einen solchen dämonischen Willen nicht wahr, stattdessen Gedankenlosigkeit, das Fehlen jeglichen Motivs und Interesses. Auch wenn sie sich in der Einschätzung Eichmanns doch getäuscht haben mag, bleibt ihr völlig anderer Blick auf das Böse bedenkenswert und hochaktuell. Mit ihrem Werk „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“* hat sie in mehrerer Hinsicht Denktabus beiseitegelassen. Zum einen war sie eine der Ersten mit dem Anspruch, in größerem Stil die Verbindungslinien zwischen Kolonialismus und Nationalsozialismus aufzudecken. Zum anderen stellte sie Nationalsozialismus und Stalinismus als zwei Varianten totaler Herrschaft dar. Damit brachte sie viele Linksintellektuelle gegen sich auf, die einen solchen Vergleich rundherum ablehnten.
* zuerst in englischer Sprache 1951 in New York erschienen; deutsch 1955
Erstmals seit über eineinhalb Jahren wird es im Hardenberg Institut wieder die Möglichkeit geben, vor Ort an einer Veranstaltung teilzunehmen. Deiner eigenen Einschätzung nach: Welche Vorteile hat dieses Format im Vergleich zu der digitalen Alternative?
Wenn alle Teilnehmenden präsent in einem Raum sind, kann eher eine Atmosphäre entstehen, die nicht nur das inhaltlich Gesagte zur Geltung bringt, sondern durchlässiger wird auch für das mitschwingende Unausgesprochene. Das liegt auch daran, dass dafür unterschiedliche Sinne gleichzeitig zur Verfügung stehen. So ist es z.B. leichter möglich, kurze Gesprächspausen als produktive Pausen und nicht als Lücken zu erleben. Einen weiteren großen Vorteil sehe ich zudem in den spontanen Gesprächen, die sich vor und nach der Veranstaltung sowie in den Pausen ergeben können.
Sollte man für die Teilnahme an deinem STUDIENTAG „Vorkenntnisse“ zu Hannah Arendt mitbringen?
Nein, Vorkenntnisse sind keine Voraussetzung für die Teilnahme. Mitbringen sollte man die Bereitschaft, sich auf die Gedanken Hannah Arendts einzulassen. Alle Teilnehmenden erhalten auf dem Studientag eine kleine Auswahl an Textauszügen, die wir gemeinsam genauer anschauen werden.
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